Dissertation Lisa Obermaier

Quellen und Bioverfügbarkeit natürlicher Folate insbesondere in fermentierten Lebensmitteln

ISBN: 978-3-945762-08-0

165 Seiten, 44 Abbildungen, 49 Tabellen, Format DIN A5

Kurz-Zusammenfassung:
Folate (B9-Vitamine) erfüllen wichtige Funktionen im menschlichen Körper. Ein Mangel kann gesundheitliche Probleme verursachen. In dieser Arbeit wurden die bestehenden Quantifizierungsmethoden erweitert, exotische Früchte als potenzielle, natürliche Folatquellen untersucht und die Anreicherung durch verschiedene Fermentationsansätze wie dem Bierbrauen und der Milchsäurefermentation analysiert. Außerdem wurde ein Molkegetränk aus Lebensmittelseitenströmen entwickelt und die Bioverfügbarkeit der Folate in einer Humanstudie bestimmt. 

Publikationen aus der Dissertation:

Obermaier L, da Mata BPM, Perego CH, Sivieri K, Salgaço MK, dos Santos AG, Boehni R, Groehn V, Knapp JP, Rychlik M (2023) An improved folate stable isotope dilution assay of unexploited food sources from Brazil, Front. Nutr. 10:1252497. doi: 10.3389/fnut.2023.1252497

Obermaier L, Candelaria Cucick AC, Gombossy de Melo Franco BD, Isay Saad SM, Skurk T, Rychlik M (2024) Assessing a Fermented Whey Beverage Biofortified with Folate as a Potential Folate Source for Humans. Mol. Nutr. Food Res. 68, 2300888. https://doi-org.eaccess.tum.edu/10.1002/mnfr.202300888

Schmitz, L. M., Kreitli, N., Obermaier, L., Weber, N., Rychlik, M., & Angenent, L. T.(2024) Power-to-vitamins: producing folate (vitamin B9) from renewable electric power and CO2 with a microbial protein system. Trends in Biotechnology. https://doi.org/10.1016/j.tibtech.2024.06.014

Candelaria Cucick AC, Obermaier L, Elionio Galvão Frota EG, Suzuki JY, Nascimento KR, Fabi JP, Rychlik M, Gombossy de Melo Franco BD, Isay Saad SM (2024) Integrating fruit by-products and whey for the design of folate-bioenriched innovative fermented beverages safe for human consumption, International Journal of Food Microbiology. 425:110895, https://doi.org/10.1016/j.ijfoodmicro.2024.110895

Ausführliche Zusammenfassung:

Folate sind wasserlösliche B9-Vitamine. Die Stabilität der über 150 Folatvitamere gegenüber Hitze, Licht, pH und Sauerstoff variiert je nach Derivat. Menschen können Folate nicht de novo herstellen, jedoch die natürlichen reduzierten Formen sowie die Folsäure , aus der Nahrung bzw. Supplementen oder supplementierten Lebenmitteln aufnehmen. Folate spielen bei verschiedenen Prozessen wie der Biosynthese von Aminosäuren und Nukleinsäuren eine Rolle und sind essenziell für ein normales Zellwachstum, und die DNA-Synthese. Daher kann ein Mangel zu erhöhten Risiken für Herzkrankheiten, Krebs und neurologische Erkrankungen führen. Insbesondere für schwangere Frauen ist eine ausreichende Folatversorgung notwendig, um das Risiko von Neuralrohrdefekten für die Föten zu verringern.

Trotz den bekannten, positiven Effekten der Supplementierung, gibt es in Europa bis dato noch keine obligatorische Anreicherung von Grundnahrungsmitteln, da Bedenken bezüglich der Toxizität und schädlicher Auswirkungen eines Folsäureüberschusses, wie ein erhöhtes Krebsrisiko oder das Maskieren eines Vitamin-B12-Mangels bestehen. Keine negativen Effekte bestehen allerdings bei natürlichen, nicht-synthetischen Folaten, wodurch das Interesse an Folatquellen wie Hefen, Bier, Algen und Insekten in den letzten Jahren gestiegen ist, wobei angenommen wird, dass die Bioverfügbarkeit von Folaten aus Lebensmitteln bei ca. 50 % liegt, was allerdings noch weiterer Untersuchungen bedarf.

Aufgrund ihrer Instabilität, dem geringen Vorkommen und den verschiedenen Vitamerenformen sind Folate schwierig zu analysieren. Die State-of-the-art-Methode umfasst eine enzymatische Dekonjugation sowie eine Probenaufreinigung mittels Festphasenextraktion gefolgt von einer LC-MS/MS-Messung, um die verschiedenen Folatvitamere selektiv zu bestimmen. Die genaue Quantifizierung erfolgt durch eine SIVA. Neben den Hauptvitameren 5-CH3-H4Folat, 5-CHO-H4Folat, H4Folat und PteGlu, wurde die bestehende Methode zur akkuraten Quantifizierung der fünf Hauptfolatvitamere in Lebensmitteln um den internen Standard 10‑CHO-Pte-[13C5]-Glu erweitert. Die Validierung ergab eine gute Linearität und Genauigkeit inklusive sinnvoller Nachweis- und Bestimmungsgrenzen von 0,27 bzw. 0,81 µg/100 g. Die Wiederfindungen lagen im Bereich von 90,2 bis 112,5 %, was den Richtlinien von Vogelgesang und Hädrich für präzise und genaue Methoden entspricht. Präzisionstests zeigten relativ niedrige Standard-abweichungen, was die Robustheit und Genauigkeit der Methode erneut bestätigte. Neben einer sicheren Quantifizierung kann das Wissen über folatreiche Lebensmittel die ausreichende Versorgung der Bevölkerung unterstützen. Daher wurden im Rahmen dieser Arbeit die Folatgehalte verschiedener (indigener) Früchte und Pflanzen analysiert, wobei das Potenzial als natürliche Folatquelle bewertet werden sollte. Einige bemerkenswerte Ergebnisse zeigten die erstmals analysierten, brasilianischen Taioba-Blätter (185 µg/100 g) und die Frucht der Monstera-Pflanze (162 µg/100 g), aber auch Passionsfrüchte (578 µg/100 g, reine Pulpe) als vielversprechende Folatquelle. Die Frucht Pequi fiel mit extremen Variationen im Folatgehalt innerhalb verschiedener, aber auch gleicher Varietäten und einem Maximalgehalt von 987 µg/100 g auf. Die Untersuchungen zeigen erneut, dass Faktoren wie Varietät, Reifegrad, Klima, Erntezeitpunkt, Anbaubedingungen und Lagerung den Folatgehalt von Pflanzen beeinflussen. Das Potenzial (sub‑)tropischer, nährstoffreicher Pflanzen zur täglichen Folatversorgung wurde aufgezeigt und die Züchtung von natürlichen Folatquellen als kosteneffiziente, nachhaltige sowie langfristig wirksame Strategie gegen einen Folatmangel insbesondere in abgelegenen, ländlichen Gebieten unterstrichen.

Eine weitere nachhaltige und wirtschaftliche Methode liegt im Biotechnologie-Sektor und im „metabolic engineering“. Die Biofortifizierung von Lebensmitteln, insbesondere durch Fermentation mit beispielsweise Bakterien und Hefen, wird als vielversprechende Alternative zur Supplementierung mit Folsäure betrachtet. Diese bioaktiven Lebensmittel könnten die Stabilität und Bioverfügbarkeit der Folate erhöhen und dabei helfen, den Mangel an Folat in der Bevölkerung zu bekämpfen. Fermentationen bieten hierbei eine kosten-, ressourcen- und arbeitseffiziente Folatanreicherung und erhöhen möglicherweise sogar deren Bioverfügbarkeit. Im Rahmen dieses Promotionsprojektes wurden verschiedene Fermentationsprozesse und deren Auswirkungen auf den Folatgehalt hin untersucht und bewertet. Zum einem wurde der Einfluss des Brauprozesses auf den Folatgehalt von Bier diskutiert, wobei als entscheidende Faktoren Auswahl und Verarbeitung der Gerste sowie die Hefe identifiziert wurde. Die Pilzfermentation für die Herstellung von Tempeh zeigte, dass das Ausgangsmaterial, also die Hülsenfrucht, eine wichtige Rolle spielt. Zum anderen wurde die bakterielle Fermentation, insbesondere mit Milchsäurebakterien, und deren Potenzial für die Folatanreicherung, auch in veganen Lebensmitteln, erläutert, wobei die Auswahl der Bakterien bestimmend für den Folatgehalt nach der Fermentation war.

Mit der Anreicherung durch Milchsäurefermentation beschäftigte sich auch das Projekt Vitalab. In dem vielversprechender Ansatz wurden Seitenströme der Lebensmittel-herstellung in Form von Molke und Fruchtnebenprodukten effizient genutzt und ein innovatives, folatreiches Molkegetränk entwickelt. Gleichzeitig sollen Lebensmittelneben-produkte sinnvoll weiterverwendet werden, um Umweltverschmutzung zu vermeiden, natürliche Ressourcen zu schonen und wichtige Nährstoffe zu erhalten. Dazu wurden geeignete Bakterienstämme zur optimalen Folatproduktion und Molke-Fruchtnebenprodukt-Kombinationen getestet. Die Ergebnisse zeigten, dass die Folatproduktion stark von der Kombination aus Bakterienstämmen, Molkekonzentrationen und Fruchtnebenprodukten abhängt. Die Kombination von Streptococcus und Bifidobacterium mit 70 % Molke und den Nebenprodukten der Traube ergab die höchsten Folatgehalte von 247,70 µg/100 g im hergestellten Molkegetränk. Des Weiteren wurde nachgewiesen, dass der Zusatz von Fruchtnebenprodukten und Molke einen wesentlichen Einfluss auf die Folatproduktion hatte. Synergistische Effekte durch die Verwendung verschiedener Bakterienstämme und eine pH-kontrollierte Fermentation konnten die Folatmengen in dem Molkegetränk zusätzlich steigern. Neben den reinen Folatgehalten von Lebensmitteln ist die Bestimmung der Bioverfügbarkeit essenziell, um das Potenzial für eine ausreichende Versorgung abschätzen zu können. Hierbei können Humanstudien zur Bewertung der Bioverfügbarkeit Abhilfe schaffen. Diese kann je nach Lebensmittelmatrix und individuellen Faktoren wie Genetik, Alter und Ethnizität variieren und ist daher schwer objektiv vorherzusagen. Daher wurde im letzten Teil des Projektes die Bioverfügbarkeit der Folate aus dem fermentierten Molkegetränk in einer Humanstudie bestimmt. Das teil-randomisierte Studiendesign mit drei Testpersonen und drei Interventions-tagen ergab im Vergleich zu einem Folatsupplement eine maximale durchschnittliche relative Bioverfügbarkeit von 17,1 %, wobei diese zwischen den Teilnehmern von maximal 39,8 bis 0 % schwankte. Die Auswertung wurde aufgrund von variablen Ausgangswerten und individuellen Plasmafolatspiegeln erschwert, weswegen auf normalisierte AUC-Werte zurückgegriffen werden musste. Es wird vermutet, dass die niedrige Folatkonzentration im Molkegetränk von nur 82 µg 5-CH3-H4Folat im Gegensatz zu 400 µg im Folatsupplement einen limitierenden Faktor dargestellt haben könnte. Außerdem könnte die hohe Osmolarität des Getränks und verschiedene Faktoren wie Matrixeffekte, Folat-bindenden Proteine (FBP) und die Folatvitamerenverteilung die Folataufnahme beeinflusst haben. Außerdem unterstreichen diese Ergebnisse den Einfluss der individuellen, biologischen Unterschiede bei der Folataufnahme, eine adäquates Studiendesign und die Auswahl homogener Teilnehmergruppen auf die Aussagekraft einer Studie.