Dissertation Markus Kopp
Entwicklung und Anwendung von Stabilisotopenverdünnungsanalysen zur Quantifizierung von Folaten in der klinischen Diagnostik sowie zur Charakterisierung folatproduzierender Bifidobakterien
ISBN: 978-3-945762-04-2
398 Seiten, 108 Abbildungen, 84 Tabellen, Format DIN A4
Kurz-Zusammenfassung:
Inhalt der vorliegenden Arbeit ist die Entwicklung, Validierung und wissenschaftliche Anwendung von modernen, miniaturisierten Methoden zur klinischen, tierstudienbasierten und mikrobiellen Analytik von Folaten und anderen C1-Metaboliten in Blut- und Gewebeproben sowie Bakterienzellen und Kulturmedien mit Hilfe von Stabilisotopenverdünnungsanalysen (SIVAs), gefolgt von einer selektiven und sensitiven Quantifizierung mittels Flüssigchromatographie-Tandemmassenspektrometrie (LC-MS/MS).
Publikationen aus der Dissertation:
Kopp M, Rychlik M (2015) Quantitation of 5-Methyltetrahydrofolic acid in Dried Blood Spots and Dried Plasma Spots by Stable Isotope Dilution Assays, PLoS ONE 10(11): e0143639. doi:10.1371/journal.pone.0143639 (open access)
Kopp M, Morisset R, Koehler P, Rychlik M (2016) Stable isotope dilution assays for clinical analyses of folates and other one-carbon metabolites: Application to folate-deficiency studies, PLOSOne, 10.1371/journal.pone.0156610 (open access)
Kopp M, Dürr K, Steigleder M, Clavel T, Rychlik M (2016) Development of stable isotope dilution assays for the quantitation of intra- and extracellular folate patterns of Bifidobacterium adolescentis, J. Chromatography A, 1469:48-59. (green open access)
Kopp M, Dürr K, Steigleder M, Clavel T, Rychlik M (2017) Measurements of intra- and extracellular folate indicate that Bifidobacterium adolescentis DSM 20083T and Bifidobacterium pseudocatenulatum DSM 20438T do not actively excrete folates in vitro, Frontiers in Microbiology, 8:445. doi: 10.3389/fmicb.2017.00445 (open access)
Kopp M, Rychlik M (2017) Assessing volumetric absorptive microsampling coupled with stable isotope dilution assay and liquid chromatography-tandem mass spectrometry as potential diagnostic pool for whole blood 5-methyltetrahydrofolic acid, Frontiers in Nutrition 4:9. doi: 10.3389/fnut.2017.00009 (open access)
Kopp M, Morisset R, Rychlik M (2017) Characterization and Interrelations of One-Carbon Metabolites in Tissues, Erythrocytes, and Plasma in Mice with Dietary Induced Folate Deficiency, Nutrients 9: 462; doi:10.3390/nu9050462 (open access)
Zusammenfassung (ausführlich):
Mit Glutaminsäure konjugierte Derivate der Tetrahydropteroinsäure, kurz Folate, bilden eine Gruppe von essentiellen Nährstoffen, zu deren Synthese der Mensch nicht befähigt ist. Eine unzureichende Zufuhr oder genetische Faktoren führen zu Störungen des Folatmetabolismus, der unter anderem an Methylierungsreaktionen und der Synthese von DNA-Bestandteilen beteiligt ist. Zu den direkten oder indirekten Auswirkungen zählen unter anderem funktionelle Beeinträchtigungen des zentralen Nervensystems und kardiovaskulären Erkrankungen. Eine maternale Folatunterversorgung kann zur Fehlbildung des embryonalen Neuralrohrs bzw. des späteren Rückenmarks (Spina bifida) oder einer Unterentwicklung des Gehirns sowie der Schädeldecke (Anenzephalie) führen. Die Früherkennung von Mangelerkrankungen mit Hilfe moderner analytischer Verfahren stellt daher eine wichtige Aufgabe für die klinische Analytik dar. Allerdings wurden fortschrittliche Probennahmetechniken und Diagnoseverfahren für die Folatanalytik bisher nicht in ausreichendem Maße entwickelt und validiert.
Deshalb wird in Kapitel I dieser Arbeit die Entwicklung von vier modernen, klinischen Anwendungen aus chemisch-analytischen Analyseverfahren und modernen Probennahmeverfahren, unter anderem zur Bestimmung des Gehalts an 5-Methyltetrahydrofolat (5-CH3-H4folat), dem bioaktiven Hauptvitamer, in getrockneten Blutstropfen (engl. dried blood spots, DBS) und absorptiven Mikrosamplern (engl. volumetric absorptive microsampler, VAMS) vorgestellt. Im Gegensatz zur konventionellen Analytik von 100 bis 2.000 μL Venenblut ist es mit Hilfe der neu entwickelten Verfahren erstmals möglich, eine Bestimmung des Vollblut-5-CH3-H4folats aus 50 μL (DBS) oder 10 μL (VAMS) Vollblut als getrocknete Blutstropfen durchzuführen. Einen wesentlichen Fortschritt stellt hierbei die autonome und mikroinvasive Entnahme von Kapillarblut aus der Fingerspitze nach Punktion des Zeigefingers und dessen Stabilisierung dar, welche eine aufwändige venöse Blutabnahme unter Aufsicht von medizinischem Personal ersetzt. Die Extraktion erfolgt nach dem Prinzip der miniaturisierten Stabilisotopenverdünnungsanalyse (SIVA) mit internem Standard gefolgt von einer selektiven und sensitiven Quantifizierung mittels Flüssigchromatographie-Tandemmassenspekrometrie (LC-MS/MS). Des Weiteren wird eine Methode zur Bestimmung des 5-CH3-H4folats aus getrockneten Plasmatropfen (engl. dried plasma spots, DPS) (30 μL) vorgestellt, die es künftig ermöglichen soll, langfristige Bioverfügbarkeitsstudien probandenfreundlicher zu gestalten, da nur kleine Volumina an Venenblut je Entnahmezeitpunkt zur Gewinnung des Plasmas erforderlich sind und letzteres auf Ascorbinsäure-imprägnierten Cellulosefasern bei -20°C stabilisiert werden kann. Ein absolutes Novum stellt die Analytik von Plasma-5-CH3-H4folat aus getrockneten Blutstropfen dar. Nach Einführung eines Erhitzungsschrittes zur Inaktivierung des Enzyms Dekonjugase wird in den Erythrozyten gespeichertes, mit Glutaminsäureeinheiten (n≥3) konjugiertes 5-CH3-H4folat nicht in das im Plasma vorliegende Monolgutamat (n=1) umgewandelt, was eine ausschließliche und selektive Quantifizierung des Plasmafolats in Vollblut erlaubt. Die Anwendbarkeit der Methoden konnte anhand der Ergebnisse aus einer Bioverfügbarkeitsstudie (DPS) und einem Probandenscreening (DBS, VAMS) aufgezeigt werden.
Die im vorigen Abschnitt genannte Analytik erlaubt die Diagnose eines Folatmangels, beleuchtet aber nicht die organspezifischen Auswirkungen eines diätinduzierten Folatmangels. Von entscheidender Bedeutung zum Verständnis der Funktionsweise eines diätinduzierten Folatmangels auf physiologischer Ebene ist die simultane Betrachtung von Zielmetaboliten aus dem Folat- und Methioninzyklus. Eine derartig detaillierte Betrachtung ausgewählter Metabolite aus beiden Stoffwechselwegen wurde im Rahmen von Tierversuchen bisher nicht durchgeführt. Als problematisch erwiesen sich bisher die geringen Organgewichte von Mäusen und die unterschiedlichen Extraktionsbedingungen für Folate und C1-Metabolite.
In Kapitel II wird deshalb die Entwicklung und Validierung von drei neuen SIVA-LC-MS/MS Verfahren vorgestellt, die eine Bestimmung von 6 Folatvitameren in Gewebeproben und 3 C1-Metaboliten in Gewebeproben und Plasma ermöglichen. Eine Untersuchung von Folaten und C1-Metaboliten aus einem Zielorgan wird durch einen Gefriertrocknungs- und Homogenisierungsschritt möglich, welcher den separaten Extraktionsbedingungen für die jeweilige Analytgruppe als gemeinsamer Schritt vorangestellt ist. Die Analytik zielt ab auf die Betrachtung des gewebespezifischen Folatstatus sowie die Vitamerenverteilung und die Konzentrationen von S-Adenosylmethionin (AdoMet) und S-Adenosylhomocystein (AdoHcy) in Leber, Niere, Herz und Gehirn als Organe und Teile jener Systeme, in denen sich Folatmangelerkrankungen primär manifestieren. Als klinischer Marker für einen Folatmangel dient der Gesamtplasmahomocystein- (engl. total homocysteine, tHcy) und der Erythrozyten-5-CH3-H4folat Gehalt. Die Folatmangelstudie wurde mit männlichen C57BL/6N-Mäusen (n=6 Folat-arme Diät, n=6 Folat-haltige Diät, 12 Wochen) durchgeführt. Mit Hilfe der neu entwickelten Methoden konnte erstmals gezeigt werden, dass ein nutritiver Folatmangel zu einer Abnahme von jeweils 50% des 5-CH3-H4folat Gehalts in Erythrozyten (enthalten 100% 5-CH3-H4folat) sowie des organspezifischen Gesamtfolatgehalts in Leber, Niere und Herz führt. Deshalb ist die Bestimmung von Erythrozyten-5-CH3-H4folat als diagnostischer Parameter zur Erfassung der endogenen Folatspeicher bzw. des momentanen, organspezifischen turn-overs gerechtfertigt. Im Gehirn beträgt die Abnahme hingegen nur 17%, was auf hochaffine Transportsysteme zurückzuführen ist. THcy in Plasma stellt mit einer Zunahme von 33,7% einen unspezifischen Marker dar, da es nicht mit endogenen Metabolitkonzentrationen korreliert. In allen Organen, außer dem Herz (hauptsächlich 5-CH3-H4folat), stellt die Tetrahydrofolsäure (H4folat) das Hauptvitamer dar. Aufgrund der signifikanten Abnahme (p<0,05) des Folatstatus und der Methylierungskapazität (AdoMet/AdoHcy Verhältnis), begleitet von einer gleichzeitigen Zunahme an AdoHcy (p<0,05), erwiesen sich Hepatozyten als besonders anfällig gegenüber einem nutritiven Folatmangel.
Neben der Aufnahme von Folaten über die Nahrung wird der Beitrag der im Darm mikrobiell synthetisierten Folate zum Folatstatus des Menschen diskutiert. Bisher ging man davon aus, dass folatproduzierende Bakterien, zu denen vor allem die Bifidobakterien gehören, Folate im Überschuss produzieren, diese über bislang unbekannte Transportmechanismen aktiv ausschleusen und dem Wirt unmittelbar zur Verfügung stellen. Allerdings basiert die Existenz eines solchen, aktiven Transports bisher nur auf Vermutungen. In Kapitel III werden Ergebnisse von in vitro Studien zur Folatfreisetzung mit den folatproduzierenden, humanen Darmbakterien B. adolescentis DSM 20083T und B. pseudocatenulatum DSM 20438T in Folat-freiem Medium (FFM) vorgestellt. Dabei werden die Anreicherung von Folatvitameren im Kulturmedium und die zelluläre Folatakkumulation in Abhängigkeit der Zeit und der Viabilität der Zellen mit Hilfe von vier neu entwickelten und validierten SIVA-LC-MS/MS-Methoden und einer mikrobiologischen Viabilitätsbestimmung ermittelt. B. adolescentis DSM 20083T und B. pseudocatenulatum DSM 20438T produzieren und akkumulieren bei Kultivierung in FFM hauptsächlich 5-CH3-H4folat, 5-HCO-H4folat (Summe aus 5-HCO-H4folat, 10-HCO-H4folat und 5,10-CH+-H4folat) und H4folat. H4folat ist als chemisch instabilstes Vitamer extrazellulär im Gegensatz zu den substituierten Vitameren nicht nachweisbar. 5-CH3-H4folat, 5-HCO-H4folat und H4folat liegen als Polyglutamate mit einer Kettenlänge von n≥2 Glutamyleinheiten und bevorzugt als Tetraglutamat vor. Untersuchungen der intra- und extrazellulären Folatgehalte während der stationären Phase von B. adolescentis DSM 20083T ergaben für den Zeitraum von 15 bis 45 h, dass die Zahl lebender Zellen sowie die zelluläre Konzentration an 5-CH3-H4folat und 5-HCO-H4folat konstant (p>0,05) bleibt, während die zelluläre H4folat-Konzentration stetig (p<0,05) abnimmt. Gleichzeitig nahm der Anteil toter Zellen an der Gesamtzellzahl linear zu. Im Medium kam es deshalb während demselben Zeitraum zur stetigen Anreicherung von 5-CH3-H4folat und 5-HCO-H4folat. 100% des 5-CH3-H4folats (nach Dekonjugation) sind dabei sowohl intra- als auch extrazellulär auf 5-CH3-H4PteGlu4 zurückzuführen. Da polyglutamylierte Folate mit mehr als 2 Glutamylresten, wie bereits bei Lactobacillus casei gezeigt werden konnte, nicht aus der Zelle ausgeschleust werden können, deuten diese Ergebnisse darauf hin, dass 5-CH3-H4PteGlu4 ausschließlich durch Zelllyse freigesetzt wird. Deshalb galt es mittels 5-CH3-H4folat als stabilem Marker zu prüfen, ob das Verhältnis an lebenden und toten Zellen zu einem definierten Zeitpunkt (24 h, stat. Phase) dem Verhältnis der intrazellulären (lebende Zellen) und extrazellulären (tote Zellen) Stoffmenge an 5-CH3-H4folat nach Dekonjugation entspricht. Aus derselben Kultur galt es gleichzeitig den Grad der Polyglutamylierung von 5-CH3-H4folat (5-CH3-H4PteGlu2-4) zu ermitteln, da ab 3 Glutamylresten kein Ausschleusen des Markers stattfindet. Aus den Studien geht hervor, dass bei beiden Stämmen der prozentuale Anteil an lebenden und toten Zellen an der Gesamtzellzahl nach 24-stündiger Kultivierung in FFM der relativen Stoffmenge an intrazellulärem und extrazellulärem 5-CH3-H4folat, bezogen auf die Gesamtstoffmenge in der Kultur, entspricht (p<0,05). Dabei entfallen wiederum 100% des 5-CH3-H4folats nach Dekonjuagtion auf 5-CH3-H4PteGlu4. Aus diesem in vitro Experiment lässt sich erstmals fundiert ableiten, dass die in FFM kultivierten Stämme B. adolescentis DSM 20083T und B. pseudocatenulatum DSM 20438T nicht zu einem aktiven Export von 5-CH3-H4folat befähigt sind und die extrazelluläre Anreicherung des Vitamers ausschließlich eine Funktion der Zelllyse ist.
Auszug aus dem Promotionsgutachten (Erstprüfer Prof. Rychlik):
“ …Dementsprechend ist die Dissertation auch umfangreich geworden mit dem Ziel, alle zu berücksichtigenden Aspekte umfassend zu erläutern. Sprachlich treffend stellt das Werk eine Zusammenfassung des aktuellen Wissenstandes zur Bioverfügbarkeit und klinischen Analytik des Folatmangels dar…. „